»Dem Volk aufs Maul sehen«
Berühmt ist ein Grundsatz, den Luther bei seiner Bibelübersetzung angewendet und der zu dem durchschlagenden Erfolg seiner Bibelübersetzung beigetragen hat: »Man muss nicht die Buchstaben der lateinischen Sprache fragen, wie man soll deutsch reden, sondern man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gasse, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen aufs Maul sehen, wie sie reden, und danach dolmetschen, so verstehn sie es denn und merken, dass man deutsch mit ihnen redet.« (Sendbrief vom Dolmetschen)
Theologische Prinzipien
Ebenso wichtig waren für Luther jedoch die theologischen Prinzipien seiner Übersetzung. Als Grundlage für sein Verständnis der Bibel gilt ihm Gottes Heilstat in Jesus Christus. Um dieses möglichst deutlich herauszuarbeiten, hat Luther bestimmte deutsche Worte, in denen sich diese Botschaft ausdrückt, möglichst oft verwendet – auch dort, wo der hebräische oder griechische Wortlaut es nicht fordert: Glaube, Gnade, Trost (durch das Evangelium), predigen (das Evangelium verkündigen). Mit Hilfe dieses Verfahrens lässt Luther die evangelische Botschaft von der Rechtfertigung des Sünders allein aus dem Glauben durch die ganze Heilige Schrift hindurch sichtbar werden.
Bedeutung
Seit der Reformationszeit hat Luthers Bibelübersetzung nicht nur den deutschen Protestantismus und seine Frömmigkeit tiefgreifend geprägt, sondern auch die deutsche Literatur und Sprache aufs Nachhaltigste beeinflusst. Bei der Herausbildung einer einheitlichen deutschen Schriftsprache hat sie eine entscheidende Rolle gespielt und darüber hinaus in Sprachschatz und Sprachgebrauch der Deutschen zahlreiche Spuren hinterlassen.
Redewendungen wie Hochmut kommt vor dem Fall (Sprüche 16,18) oder Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein (Prediger 10,8) stammen ebenso aus der Lutherbibel wie Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über (Matthäus 12,34). Die deutsche Dichtung ist voll von Zitaten und Anspielungen aus der Lutherbibel; es ist bekannt, wie sehr der junge Goethe seine Sprache an der Bibel Martin Luthers geschult hat, und in unserem Jahrhundert hat Bertolt Brecht die Frage nach seiner Lieblingslektüre so beantwortet: »Sie werden lachen: die Bibel.«
Revisionen
Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die Lutherbibel in den protestantischen Gebieten Deutschlands das Haus- und Volksbuch schlechthin. Dann haben eine beschleunigte Sprachentwicklung und ein einschneidender Traditionsabbruch dazu geführt, dass die Originalsprache Luthers für immer mehr Menschen immer schwerer verständlich wurde.
Damit die Bibel Martin Luthers nicht zum sprachlichen Museumsstück wurde, hat die Evangelische Kirche in Deutschland seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in mehreren Anläufen die Lutherbibel revidiert. Seit dem 19.10.2016 liegt die Lutherbibel in der revidierte Fassung “Lutherbibel 2017” vor. Der Bibeltext wurde komplett durchgesehen und zum Start des Reformationsjubiläums veröffentlicht. In dieser Fassung stellt die Lutherbibel heute den offiziellen Bibeltext der evangelischen Kirchen dar. Darüber hinaus sind auch ältere Fassungen des Luthertextes (Luthers Ausgabe letzter Hand von 1545 sowie die wichtigen Revision aus den Jahren 1912 und 1984) noch erhältlich.
WAS IST NEU?
Auf der Suche nach einer Übersetzung, die wissenschaftlich präzise und zugleich sprachlich treffend ist, hat auch Luther seine Bibelübersetzung immer wieder geprüft und überarbeitet.
Auf eine sich verändernde Sprache Rücksicht zu nehmen und den Text immer wieder am aktuellen Stand der Forschung auszurichten, entspricht also den ureigenen Übersetzungsprinzipien des Reformators.
Auch die revidierte Lutherbibel 2017 als die vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland empfohlene Bibelübersetzung folgt diesem Grundsatz. Alle biblischen Texte einschließlich der Apokryphen wurden umfassend geprüft und, wenn nötig, überarbeitet.
Die Änderungen am Text folgten dabei drei grundlegenden Kriterien:
- Genauigkeit
Die Treue gegenüber dem Ausgangstext ist das zentrale Anliegen der Revision. So wurde die gesamte Bibel anhand der hebräischen und griechischen Urtexte überprüft. Nicht zuletzt die Funde von Qumran haben im 20. Jahrhundert die Erkenntnisse der biblischen Textforschung erheblich vorangebracht. Häufig lässt sich heute die Überlieferung eines Textes mit größerer Exaktheit bestimmen. An anderen Stellen wiederum haben neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu Fortschritten in der Textauslegung geführt.Lutherbibel 1984 Und siehe, da erhob sich ein
gewaltiger Sturm auf dem See, sodass
auch das Boot von Wellen zugedeckt
wurde. Er aber schlief.Lutherbibel 2017 Und siehe, da war ein großes Beben
im Meer, sodass das Boot von den
Wellen bedeckt wurde. Er aber schlief
- Verständlichkeit
Sprache unterliegt einer ständigen Entwicklung. So haben im Lauf der letzten Jahrzehnte einzelne Begriffe ihre Bedeutung gewandelt oder sind aus dem allgemeinen Wortschatz verschwunden. Missverständliche und unverständliche Begriffe der 84er Fassung wurden für die Lutherbibel 2017 behutsam angepasst.Lutherbibel 1984 Da ihr aber die Geburt so schwer
wurde, sprach die Wehmutter zu ihr:
Fürchte dich nicht, denn auch diesmal
wirst du einen Sohn haben.Lutherbibel 2017 Da ihr aber die Geburt so schwer
wurde, sprach die Hebamme zu ihr:
Fürchte dich nicht, denn auch diesmal
wirst du einen Sohn haben.
- Luthersprache
Nach den Versuchen im 20. Jahrhundert, die Bibel nach Martin Luther zu modernisieren, ist es ein Anliegen der Revision 2017, das Profil Lutherbibel wieder zu schärfen. Im Verlauf der letzten Überarbeitungen wurden vielfach ohne inhaltliche Notwendigkeit sprachliche Modernisierungen vorgenommen, die die kernige Sprache des Reformators verstellen.Lutherbibel 1984 Ihr Schlangenbrut, wie könnt ihr
Gutes reden, die ihr böse seid? Wes das
Herz voll ist, des geht der Mund über.Lutherbibel 2017 Ihr Otterngezücht, wie könnt ihr
Gutes reden, die ihr böse seid? Wes das
Herz voll ist, des geht der Mund über.
- Ergänzung
Neben den eigentlichen Bibeltexten wurden auch sämtliche Begleittexte und Informationen gründlich überprüft und überarbeitet. Dazu gehören die verschiedenen Zwischenüberschriften, die Sacherklärungen, Landkarten und angegebenen Parallelstellen.
WIE VIEL HAT SICH GEÄNDERT?
Welches Maß an Veränderungen die neue Lutherbibel gegenüber der Fassung von 1984 aufweist, zeigt ein Blick in die Statistik:
Von den rund 31 000 Versen des Alten und Neuen Testaments haben rund 12 000 Verse, also knapp 40 Prozent, eine Änderung erfahren. Bei den Apokryphen waren es mit rund 3 700 von 4 400 Versen sogar über 80 Prozent. Insgesamt weist die Lutherbibel 2017 also fast 16 000 (44 Prozent) Verse auf, die von der bisherigen Ausgabe abweichen.
Die Intensität dieser Veränderungen ist allerdings sehr unterschiedlich: Von geringfügen Anpassungen in der Zeichensetzung über den Austausch einzelner Wörter bis hin zur vollständigen Neuübersetzung einzelner Verse reicht die Bandbreite der Bearbeitungen.
Präzisieren lassen sich diese Angaben durch einen Vergleich des Wortbestands zwischen der 1984er und der 2017er Fassung. Dabei wird deutlich, dass trotz der hohen Zahl veränderter Verse im Durchschnitt nur rund zehn Prozent der Wörter abgeändert wurden. Aufgrund der massiven Überarbeitung der Apokryphen liegt der Wert für Neues und Altes Testament allein sogar bei nur fünf Prozent.
Darüber hinaus ist festzuhalten, dass es sich bei rund einem Drittel der Änderungen um Korrekturen früherer Revisionen handelt. In vielen Fällen erfolgt dabei eine „Rückrevision“ zur Fassung von 1545, die nicht nur der Sprache Martin Luthers authentisch wiedergibt, sondern oftmals auch philologisch exakter ist als die letzten Revisionen.
Die Zahlen sind ein Beleg dafür, dass Eingriffe in den Text behutsam und in den meisten Fällen nur punktuell durchgeführt wurden. Die Tatsache, dass sich in fast der Hälfte aller Verse kleine bis größere Änderungen finden zeigt aber auch, wie umfassend und gründlich die Bearbeiterinnen und Bearbeiter vorgegangen sind.
Bei all diesen Angaben handelt es sich um Durchschnittswerte. Menge und Intensität der Änderungen variieren nicht nur zwischen den Bibelteilen – Altes Testament, Neues Testament und Apokryphen –, sondern auch zwischen einzelnen biblischen Büchern und Kapiteln.
Einen Eindruck der Menge und Intensität der Änderungen zeigt der konkrete Vergleich zwischen der Lutherbibel 1984 und der Lutherbibel 2017. Daher haben wir für Sie hier Textbeispiele aus dem dem Neuen Testament (Matthäus 8), dem Alten Testament (Psalm 42) und den Apokryphen (Tobias 6) gegenübergestellt:
SONDERFALL APOKRYPHEN
Besonders umfangreich war die Überarbeitung der Apokryphen. Hier wurde erstmals durchgehend die Textfassung der Septuaginta zugrunde gelegt, die antike Übersetzung der alttestamentlichen Schriften ins Griechische. Dadurch musste in einigen Teilen auch die Verszählung neu erstellt werden. Wie umfassend die Änderungen in diesen biblischen Büchern waren, zeigt ein Blick auf den Wortbestand. Während sich trotz der Vielzahl der veränderten Verse der Wortbestand in Altem und Neuen Testament um lediglich 5 Prozent änderte, lag der Anteil in den Apokryphen bei über 80 Prozent.
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